Tatort Internet
Wer es noch nicht gemacht hat, sollte es einmal tun: Seinen Namen bei einer Suchmaschine wie zum Beispiel Google eingeben und sich anzeigen lassen, was das World Wide Web so über einen findet.
Man kann sich nur ungefähr vorstellen, was in einem vorgeht, wenn die Suchmaschine Einträge ausgibt, die falsche Tatsachen, Beleidigendes oder höchst Privates wiedergeben. Opfer von Rufmord kann jeder werden - eine Privatperson, eine Firma oder eine Person des öffentlichen Lebens. Als Täter kommt vom verschmähten Liebhaber, zum enttäuschten Kunden bis zum eifersüchtigen Konkurrenten jeder in Frage.

Für das Opfer stellen sich viele Fragen: Wie weit geht das Recht auf freie Meinungsäußerung des Schreibers, wo überwiegt mein allgemeines Persönlichkeitsrecht und wo fängt eine strafbare Handlung an? Wann lohnt es sich, bei der Polizei Strafanzeige wegen Beleidigung, übler Nachrede oder Verleumdung zu erstatten? Wann kann man Ansprüche auf Unterlassung, Gegendarstellung und Schadenersatz durchsetzen? Und gegen wen richtet sich dieser Anspruch? Gegen den Urheber des Eintrags, gegen den Betreiber der Website oder gar gegen beide?
Meinungsfreiheit oder Persönlichkeitsrecht
Wird jemand wegen einer verbalen Entgleisung im Internet zur Verantwortung gezogen, beruft er sicht meist auf sein "Grundrecht auf Meinungsfreiheit". Im Grundgesetz liest sich dieses Recht in Artikel 5 (ungefähr) so:

Artikel 5 Grundgesetz:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten ..."
(2) Dieses Recht findet seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt: Die Meinungsfreiheit hat Grenzen. Auch wenn der lockere Ton in einem Forum, Blog oder Chat zu einer unbeschwerten Wortwahl verführt, dürfen gewisse Hürden nicht überschritten werden.
Verbale Attacken nicht ohne Folgen
Doch wo liegt die Grenze zwischen erlaubter Kritik und einer unzulässigen Diffamierung im Internet? Wo fängt der Rufmord an? Wann ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Opfers schützenswerter als die Meinungsfreiheit?
Gerichte und Staatsanwaltschaften beurteilen dies je nach Einzelfall sehr unterschiedlich. So wiegt eine verbale Entgleisung in einem offenen Forum oder auf einer für die Allgemeinheit zugänglichen Homepage schwerer als in einem nur einem bestimmten Teilnehmerkreis zugänglichen Chat.
Darüber hinaus wird bei der Beurteilung zwischen Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen unterschieden. Tatsachenbehauptungen können auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Sie sind wahr oder falsch.
Meinungsäußerungen dagegen sind höchstpersönliche Beurteilungen. Man kann sie teilen oder auch nicht, aber man kann den Wahrheitsgehalt nicht belegen.
Beispiel:
Die Behauptung "Horst Müller hat ein Verhältnis mit seiner Kollegin" ist eine Tatsachenbehauptung. Die Aussage "Horst Müller ist ein blöder Hirsch" ist dagegen eine Meinungsäußerung.
Falsche Tatsachenbehauptungen muss man nicht dulden. Persönliche Meinungsäußerungen werden hingegen etwas großzügiger betrachtet. Sie dürfen aber nicht (wie im oben genannten Beispiel) die Grenze zur Beleidigung überschreiten.
Aber auch nicht jede wahre Tatsache darf automatisch im Internet veröffentlicht werden. Werden zum Beispiel Einzelheiten aus der Intim- oder Geheimsphäre im Internet breitgetreten, kann dies als sogenannte Formalbeleidigung ebenfalls strafbar sein. Außerdem könnten sich aus einer Persönlichkeitsverletzung Schadenersatzansprüche für die verletzte Person ergeben.
Beispiel:
Marianne Müller ist Sekretärin in einer Firma, verheiratet und hat drei Kinder. Auch wenn sie ihren Mann mit einem Kollegen betrügt, darf diese Tatsache nicht öffentlich mit Namensangabe im Internet diskutiert werden. Das Interesse an der Veröffentlichung besitzt hier keinen solchen Stellenwert, dass der drohende Persönlichkeitsschaden dadurch ausgeglichen würde.
Strafbare Äußerungen
Das deutsche Strafgesetzbuch kennt insbesondere folgende Delikte, die bei einer Ehrenkränkung und Rufschädigung im Internet zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe führen können. Mehr zum Thema strafrechtliches Vorgehen gegen Cyber Mobbing finden Sie auch hier.
Beleidigung
Wird ein anderer auf unangemessene Art beschimpft oder verspottet, spricht man von Beleidigung. Die persönliche Ehre des Betroffenen wird verletzt, § 185 Strafgesetzbuch (StGB).
Wer also unter Angabe des Namens von seiner eigenen Homepage oder auch in Chatrooms oder Foren eine Person z.B. als "Blödmann", "Depp" oder "Hornochse" angreift, macht sich strafbar. Vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit sind solche Äußerungen nicht mehr gedeckt.
Selbst wenn es sich um anonyme User in einem Chatroom handelt, kann je nach Art der Äußerung eine Beleidigung vorliegen, wenn der Beleidigte regelmäßig unter dem gleichen Nicknamen oder Pseudonym auftritt und aufgrund seines Imageverlustes diesen nicht mehr verwenden kann.
Üble Nachrede
Üble Nachrede nennt man eine ehrverletzende Tatsachenbehauptung (z.B. "Faschist", "Rechtsextremist", die derjenige, der die Aussage trifft, nicht beweisen kann (§ 186 StGB).
Verleumdung
Verleumdung bedeutet, dass jemand über eine Person ehrverletzende Behauptungen aufstellt, obwohl er genau weiß, dass sie nicht wahr sind. Der Unterschied zur üblen Nachrede besteht also darin, dass der Täter nachweislich wusste, dass der Vorwurf nicht zutrifft (§187 StGB).
Formalbeleidigung
Handelt es sich um eine wahre Tatsachenbehauptungen, kommt eine Bestrafung wegen Verleumdung oder übler Nachrede nicht in Betracht. Allerdings kann die Verbreitung wahrer Tatsachen ausnahmsweise eine Beleidigung sein. Wird die breite Öffentlichkeit des Internets dazu benutzt, um über eine Person zum Beispiel intime Details auszuplaudern, ist dies eine Formalbeleidigung (§ 192 StGB).
Die Rechtfertigung: Wahrnehmung berechtigter Interessen
Es gibt eine im Strafgesetzbuch festgelegte Ausnahme von der Strafbarkeit der Beleidigungsdelikte. Dabei geht es um Meinungsäußerungen zu öffentlichkeitsrelevanten Fragen.
In der öffentlichen Auseinandersetzung soll anders als bei Privatfehden auch Kritik hingenommen werden müssen, die in drastischer und überspitzter Form formuliert wird. Die Grenze ist jedoch dort zu ziehen, wo ein besonders herabwürdigender Ton oder sehr beleidigende Schimpfworte gebraucht werden (§193 StGB).
Strafantrag bei der Polizei

Ein Strafantrag bei der Polizei sollte gut vorbereitet sein. Je mehr man selbst zur Aufklärung beitragen kann, desto wahrscheinlicher ist ein konsequentes polizeiliches Vorgehen und desto unwahrscheinlicher ist eine Einstellung mangels öffentlichen Interesses. Man sollte sich deshalb unbedingt die Adresse der Website notieren und einen Ausdruck der strafbaren Inhalte machen. Im Impressum kann man zudem nachlesen, wer für die Seite verantwortlich ist.
Beleidigungen, Verleumdungen und üble Nachrede im Internet werden ohne einen Strafantrag in der Regel nicht verfolgt, weil die Delikte nur den Kreis der unmittelbar Beteiligten betreffen. Deswegen reicht eine einfache Anzeige nicht aus. Das Opfer muss bei der Polizei einen schriftlichen Strafantrag stellen und unterschreiben. Ein solcher kann nur von einem Verletzten oder einem Angehörigen gestellt werden.
Hinweis:
Die Strafanzeige ist dagegen eine einfache Benachrichtigung, die jeder per Telefon, mündlich, schriftlich oder zum Beispiel per Fax bei der Polizei erstatten kann, unabhängig davon, ob er selbst direkt betroffen ist.
Die Staatsanwaltschaft oder das Strafgericht entscheiden dann, ob an der Verfolgung ein öffentliches Interesse besteht. Nicht bei jeder Straftat kommt es also auch zu einem Strafverfahren. Wenn das nicht der Fall ist, wird das Verfahren eingestellt und das Opfer auf die Privatklage verwiesen. Wird das Verfahren weiterverfolgt, wird es häufig mit einem Strafbefehl ohne mündliche Verhandlung enden.
Hinweis:
Eine Privatklage ist eine Verfolgung strafbarer Handlungen durch den Verletzten ohne Beteiligung der Polizei oder Staatsanwaltschaft. Sie ist nur bei einigen wenigen Straftaten zulässig, insbesondere solchen, die sich im rein privaten Lebensbereich abspielen. Vor Erhebung der Privatklage ist ein Sühneversuch notwendig.
In vielen Fällen wird das Opfer nicht wissen, wer hinter der diffamierenden Äußerung im Internet steht, weil in Chats, Foren und Blogs mit Pseudonymen gearbeitet wird. Doch meist kann die Polizei beim Provider den Namen herausfinden.